Yokovich zwischen Stahl und Sternen: „Ubiquitous“ lässt ein Debüt voller Klanggewalt auf die Szene los (Audio) [ Industrial Metal | Alternative Metal ]

Wenn eine junge Band ihr Debüt vorlegt, das bereits die Reife eines langjährigen Schaffens atmet, dann lohnt es sich, sehr genau hinzuhören. Genau dies gilt für Yokovich und ihr Erstlingswerk „Ubiquitous“, erschienen am 27. September 2024. Die Formation aus Lissabon, 2021 von Gitarrist Miguel Sousa gegründet und inzwischen durch Bassist Bruno Gomez, Sänger Jonas und den neuen Drummer Samora komplettiert, verbindet industrielle Härte mit melodischer Eleganz. Die elf Songs – jeder einzelne ein Kristallisationspunkt gegenwärtiger Ängste und Hoffnungen – ziehen den Hörer in einen Sog aus Elektronik, Metal-Riffgewitter und progressivem Feinsinn. Nach gut einer Stunde bleibt die Gewissheit zurück, ein bemerkenswert vielschichtiges Statement erlebt zu haben, das die Grenzen des Alternative- und Industrial-Metal mit unbändiger Kreativität verschiebt.

Hört hier das epische Industrial Metal Werk Ubiquitous von Yokovich in voller Länge

Ein visionäres Debüt zwischen Stahl und Sternen

Schon die ersten Sekunden von „Old Blood & Guts“ lassen erahnen, wohin die Reise geht: Telefonklingeln, verzerrte Stimmen und aufbrandende Gitarrenriffs verschmelzen zu einem cineastischen Intro, das den Spagat zwischen Endzeit-Atmosphäre und brachialer Energie mühelos meistert. Yokovich knüpft hier an die industrial-metallische Tradition von Nine Inch Nails an, ohne je epigonal zu wirken; vielmehr prangt über jedem Takt der unverwechselbare Stempel von Sousas Gitarrenarbeit und Gomez’ weit gefächertem Bassspiel. Die Thematik – Kriege, Isolation, Erosion von Werten – wurzelt tief in der Wirklichkeit des Jahres 2024, findet aber stets eine poetische Brechung, die musikalisch wie textlich berührt.

Mit „Dead Wall“ bricht ein wuchtiger Dance-Groove die metallische Front auf, nur um sie im Refrain mit Growls und tiefer gestimmten Gitarren zu verdoppeln. Die Band beweist, wie nahtlos sich EDM-Beats und Death-Metal-Riffs ergänzen können, wenn Komposition und Sounddesign Hand in Hand greifen. Gerade in dieser Verschmelzung liegt die große Stärke von „Ubiquitous“: Elektronische Pulsadern durchziehen das gesamte Album und spenden Frischblut, wo andere Acts sich in Genre-Dogmen erschöpfen.

Songwriting und thematische Tiefenschärfe

Dass Yokovich weit mehr als reine Genre-Akrobatik beherrscht, zeigt das Trio aus „Burn“, „Pure Illusion“ und „Letters“. „Burn“ zündet ein langsames, beinahe post-rockiges Intro, das in leuchtenden Gitarrenkaskaden kulminiert, während Jonas’ Stimme zwischen fragiler Klarheit und eruptivem Grollen changiert. Die Melodieketten erinnern an Tool, doch bleibt die Struktur angenehm kompakt; eingesetzte Pausen lassen jedes Motiv atmen. In „Pure Illusion“ dominieren bouncende Synth-Arpeggios und Chugging-Riffs, die sich gegenseitig hochschaukeln, bis ein nervöses Industrial-Intermezzo die Spannung ins Unerträgliche treibt, nur um sie in einem klassischen Metal-Beatdown zu entladen. „Letters“ wiederum kontrastiert tanzbare Four-on-the-Floor-Patterns mit Double-Bass-Gewittern, wobei die Lyrics den inneren Briefwechsel eines Menschen skizzieren, der im digitalen Stimmen­gewirr seine eigene verliert.

Besonders berührend wirkt „Gone With The Frost“. Hier treffen phonk-inspirierte Cowbell-Samples auf klagende Pianolinien, während der Refrain hymnisch ins Offene strebt. Solche Passagen offenbaren die kompositorische Reife der Band: Statt bloßer Dynamikwechsel setzt Yokovich auf erzählerische Bögen, die Stillstand, Rückzug und erneuten Aufbruch logisch verzahnen. In „The Society Expectations“ wächst diese Dramaturgie zur maximalen Eingängigkeit – Funk-Basslicks tragen Jonas’ klaren Gesang, bis sich ein Synth-Gewitter öffnet und das Thema Individualität vs. Konformität in wuchtige Akkordprogressionen gießt.

Wenn „Volcanic“ einsetzt, wirbelt ein Sturm aus Blastbeats, tempovariabler Gitarrenarbeit und stimmlichen Grenzgängen durchs Klangbild. Der Song ist ein Manifest struktureller Kühnheit: Wechselnde Taktarten und gefühlte Tempobrüche erzeugen eine Hektik, die dennoch stets im Dienst des Ganzen steht. Der Übergang zum schwer groovenden Finale „Uncontrollable“ wirkt darum folgerichtig wie der Vulkanausbruch, den der vorangegangene Track vorbereitet hat. Das abschließende Triptychon aus „Memories Fade“, einem kurzen, düsteren Interlude, und dem epischen Sechs-Minuten-Closer „Sacrifice“ lässt die Zuhörer schließlich zwischen kathartischer Befreiung und nachdenklicher Stille zurück. Gerade „Sacrifice“ bietet mit seinen psychedelischen Voice-Samples, den offenen Gitarrendissonanzen und einem Refrain, der sich wie ein Mantra wiederholt, ein meisterhaftes Finale.

Sounddesign: Industrielle Wucht und sphärische Weite

Was „Ubiquitous“ so außergewöhnlich macht, ist das fantastische Sounddesign. Produzent Miguel Sousa – der zugleich die Gitarrenspuren eingespielt hat – verschränkt analoge und digitale Klangquellen in einem organischen Ganzen. Verzerrte Synth-Bässe züngeln unter abgedämpften Palm-Mute-Riffs, modulierte Pad-Flächen füllen die hintere Stereobühne und lend dem vorderen Gitarrenorama eine geradezu dreidimensionale Weite. Die Drums von Samora klingen trotz sample-gestützter Präzision niemals steril; subtile Raumanteile und variierende Snare-Timbres sorgen für Lebendigkeit, während die Kick auch bei hohem Tempo differenziert bleibt.

Ein weiterer Pluspunkt liegt in der sorgfältigen Platzierung der Vocals. Jonas’ Shouts und Growls sitzen zentriert, doch Layer von Flüstern, Harmonizer-Spuren und oktavierten Doppelungen umspielen sie, wodurch Chorusse wie in „Dead Wall“ oder „Uncontrollable“ eine fast sakrale Größe erhalten. Gleichzeitig gehen Worte nie im Effekt­bad unter; die Artikulation bleibt scharf, sodass die lyrischen Botschaften – soziale Kälte, Kriegstraumata, Sehnsucht nach Verbundenheit – direkt treffen. Dieser Mix aus roher Gewalt und klanglicher Feinzeichnung verleiht dem Album eine Handschrift, die man bereits nach wenigen Takten erkennt.

Hervorzuheben ist auch der Mut zu leisen Tönen. Zwischenspiele in „Burn“ oder das Lullaby-Intro von „Sacrifice“ weiten den musikalischen Horizont, ohne die kohärente Gesamtästhetik zu gefährden. Jeder Synth-Layer, jede Gitarrenverzerrung scheint exakt dosiert: genug Dreck, um den Metal-Charakter zu wahren, genug Transparenz, um Details strahlen zu lassen. Das Mastering betont tiefe Frequenzen, ohne den Mitten­bereich zu erdrücken – eine Gratwanderung, die Alternative-Metal-Produktionen häufig verlieren. Hier klingt sie selbstverständlich.

„Ubiquitous“ ist ein Debüt, das die Messlatte für zukünftige Arbeiten im Alternative- und Industrial-Metal-Sektor hoch ansetzt. Die Portugiesen von Yokovich demonstrieren, wie sich kompromisslose Härte, elektronischer Wagemut und melodische Finesse zu einem stimmigen Gesamtwerk verweben lassen. Jeder der elf Tracks trägt erkennbar die Handschrift der Band, ohne sich auf Wiederholungen auszuruhen; stattdessen entfalten sich abwechslungsreiche Songstrukturen, prägnante Hooklines und ein überragendes Sounddesign. Die Kompositionen sind klar durchdacht, detailverliebt arrangiert und feinsinnig produziert – ein seltenes Zusammenspiel, das hohes künstlerisches Niveau attestiert.

Lyrisch wichtige Themen treffen auf meisterhaften Sound

Auf lyrischer Ebene gelingt es Yokovich, globale Konflikte, gesellschaftliche Erwartungshaltungen und die individuelle Suche nach Identität in eindringliche Bilder zu gießen. Die Texte bleiben konkret genug, um zu berühren, zugleich offen genug, um persönliche Assoziationen zuzulassen. Dadurch funktioniert „Ubiquitous“ als Spiegel einer nervösen Gegenwart und als Eskapismus in futurale Klangräume.

Bleibt die Frage, wohin der Weg dieser Band führen wird. Wenn das Debüt bereits derart vielschichtig, musikalisch absolut genial und professionell ausfällt, darf man für kommende Veröffentlichungen Großes erwarten. Bis dahin gibt es genug Gründe, „Ubiquitous“ in Dauerschleife zu hören – nicht nur wegen der herausragenden Einzeltracks „Old Blood & Guts“, „Volcanic“ oder „Sacrifice“, sondern vor allem wegen des dramaturgischen Flows, der das Album als geschlossene Erzählung wirken lässt.

Unsere Wertung:

Bewertung: 4.5 von 5.

Unser Fazit:

Yokovich liefern ein beeindruckendes Erstlingswerk, das seinen Platz in der modernen Metal-Landschaft bereits jetzt behauptet – kraftvoll, klangverliebt und künstlerisch konsequent.

Kritik von Philipp „Pfnörki“ Gottfried

Mehr zu Yokovich im Netz:

Yokovich – Die offizielle Webseite:
https://www.yokovichband.com

Yokovich bei Facebook:
https://www.facebook.com/yokovichband/

Yokovich bei Spotify anhören:
https://open.spotify.com/intl-pt/artist/0tQY7UAqgrrTUooEw31fIg

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