Was bleibt, wenn Kindheitshelden zu Problemfällen werden, alte Weggefährten ins Spießertum abdriften und die Welt sich immer weiter entzaubert? Bei den Radierern ist die Antwort klar: Man packt die Gitarre, dreht den Sequenzer auf Anschlag und lässt die Vergangenheit mit einer Wahnsinnsportion Punk wiederauferstehen. Limburger Schule ist keine Nostalgie – es ist Wiedergeburt im grellen Neonlicht.
Zwischen Tobsucht und Zuckerwatte – ein Sound wie aus der Zeit gefallen
Die Radierer – gegründet 1978, zur selben Zeit als DAF und S.Y.P.H. den Untergrund aufmischten – melden sich mit Limburger Schule nicht einfach zurück. Sie explodieren. Jürgen Beuths musikalisches Szenarium ist ein fiebriges Durcheinander aus pumpenden Sequenzern, nervösen Gitarrenlinien und poppigen Melodien, die wie Bonbons auf Rasierklingen wirken.
Was auf dem Papier nach Widerspruch klingt, funktioniert hier als organisches Chaos. Kein Song gleicht dem anderen, und doch zieht sich ein klangliches Erkennungszeichen durch das Album: hemmungslose Experimentierfreude, die nie zur Attitüde verkommt. Stattdessen: ein lebendiges, wild zuckendes Stück Kunst, das sich weder in der Vergangenheit noch im Jetzt festlegt, sondern irgendwo dazwischen pulsiert.
C B Bodenstein liefert dazu Texte, die wie kaputte Kinderreime auf Speed wirken. Subversiv, absurd, unangepasst – eine bizarre Wunderkammer der Abseitigkeit. Themen, die man sonst unter den Teppich kehrt, werden hier in grelle Farben getaucht und in die Welt geschrien. Kein Mitleid, keine Zurückhaltung – dafür maximale Reibung mit der Realität.
Fazit: Punk lebt – und er hat Tinte auf dem Radiergummi
Limburger Schule ist kein Comeback, es ist ein Manifest. Die Radierer zeigen, wie frisch, wild und anarchisch Musik selbst nach Jahrzehnten klingen kann, wenn man sich konsequent jeder Norm verweigert. Hier wird nicht erklärt, sondern zerschossen. Nicht gesäuselt, sondern gelebt. Wer glaubt, Punk sei tot, hat diese Platte nicht gehört. Sie reißt das innere Kind zurück auf die Bühne – mit Ramones-T-Shirt, Struppi-Tattoo und einem Mikro in der Faust.
Autor: Martin „Otte“ Oertel