Es ist kaum zu glauben, dass Pinch Black erst 2018 in Mainz das Licht der Welt erblickten. Was als musikalisches Herzensprojekt von Burkhard und Laura begann, wuchs innerhalb weniger Jahre zu einer der vielversprechendsten Epic Death Metal-Formationen Deutschlands heran. Schon ihre ersten Veröffentlichungen zeigten, dass hier keine gewöhnliche Band am Werk war. Mit dem Einstieg von Janine an der Gitarre, Rafael an den Drums und Stephan am Bass nahm die musikalische Vision schließlich jene Form an, die Pinch Black zu dem machte, was sie heute sind: eine Einheit aus Präzision, Ausdruckskraft und finsterer Epik.
Nach „Exorcism“ (2019), „Insanity“ (2022) und dem gefeierten „Serenity“ (2023) erscheint nun ihr viertes Studioalbum „Dystopian Times“ – ein Werk, das nicht nur musikalisch überzeugt, sondern thematisch tief in die Schatten menschlicher Existenz blickt. Es geht um Macht, Verlust, Zerstörung und die ewige Suche nach Erlösung – dargeboten in einem Klanggewand, das kompromisslos, detailverliebt und technisch herausragend ist.
Epischer Auftakt in den Abgrund
Der Opener „The Duel“ ist mehr als nur ein Song – er ist ein Statement. Rafael eröffnet mit präzisem, donnerndem Drumming, das sofort den Puls nach oben treibt. Stephan’s Bassarbeit verleiht dem Song das nötige Fundament, dunkel und tief wie ein grollender Donner. Und dann die Gitarren – Laura und Janine duellieren sich in einem Riffgewitter, das zwischen majestätischer Melodik und gnadenloser Härte pendelt.
Thematisch greift der Song eine Legende auf – zwei Dämonen in einer zerfallenden Welt, deren Kampf weder Sieger noch Erlösung kennt. Dieses Motiv, der ewige Konflikt zwischen Zerstörung und Licht, zieht sich durch das gesamte Album. Die Lyrics beschreiben nicht bloß Gewalt, sondern einen spirituellen Krieg, der in jedem von uns tobt. Burkhard growlt mit einer Intensität, die fast schon körperlich spürbar ist – tief, verzerrt und dennoch klar in der Artikulation. Seine Stimme trägt den Song wie eine Sturmfront.
Horror, Halluzination und innere Dämonen
„Monsters“ führt das Konzept des inneren Abgrunds weiter – hier in Form einer albtraumhaften Erzählung über Angst, Isolation und das Verlorensein in der eigenen Psyche. Schon das Intro wirkt wie der Beginn eines Horrorfilms: leise Glocken, ein synthetischer Hauch, bevor die Gitarren mit voller Wucht einsetzen. Der Song entfaltet sich als monumentales Wechselspiel aus sanften, fast elegischen Passagen und brutalen Ausbrüchen, die jeden Widerstand im Keim ersticken.
Inhaltlich geht es um den Verlust der Kontrolle – eine Person, gefangen in ihrem eigenen Kopf, während unsichtbare Schatten sie heimsuchen. „Monsters“ steht sinnbildlich für mentale Zerbrechlichkeit in einer kalten Welt. Musikalisch gelingt es Pinch Black, diese Atmosphäre greifbar zu machen. Das Drumming wirkt wie ein Herzschlag in Panik, die Gitarren schichten Melodien übereinander, die an die düsteren Klänge des frühen Melodic Death Metal erinnern, während Burkhard’s Stimme wie eine Manifestation der Angst selbst klingt.
Der Übergang zu „The Reaper“ erfolgt fließend und dennoch spürbar – hier tritt eine fast sakrale Stimmung in den Vordergrund. Glockenähnliche Töne und aufsteigende Gitarrenharmonien bereiten den Boden für einen Song, der die Begegnung mit dem Tod thematisiert. „The Reaper“ ist kein reiner Horrortrack, sondern ein kontemplatives Stück über Vergänglichkeit. Der Tod ist hier nicht Feind, sondern Spiegel. Die Produktion glänzt durch Tiefe und Räumlichkeit – jedes Instrument hat Platz, und dennoch entsteht eine dichte Wand aus Klang, die das Ohr umhüllt.
Mythen, Magie und makabre Legenden
Mit „Ghoul“ beschreiten Pinch Black erzählerisch düstere Pfade. Der Song wirkt wie eine metallische Geistergeschichte, die sich irgendwo zwischen viktorianischem Gothic und moderner Apokalypse bewegt. Melodische Gitarren, die fast symphonisch klingen, brechen in eruptive Riffs aus, während das Schlagzeug wie ein Erdbeben durch die Struktur hämmert. Hier wird das Songwriting der Band besonders deutlich: Jeder Moment ist geplant, jeder Übergang fließt organisch in den nächsten.
Der Text erzählt von einer alten Seele, die aus den Gräbern erwacht – der „King of Ghoul“, der über ein Reich aus Schatten herrscht. Die Bilder sind stark und bildhaft, fast literarisch. Man spürt förmlich den Wind, der durch die Ruinen pfeift, das Rascheln der Knochen, das Flüstern der Verlorenen. Es ist diese cineastische Qualität, die Pinch Black von vielen anderen Death-Metal-Bands abhebt.
„Necromancer“ greift die apokalyptische Thematik auf – diesmal in kosmischen Dimensionen. Es geht um Wiedergeburt durch Zerstörung, um Macht und Hybris. Musikalisch dominiert ein bedrohlicher Groove, der an Industrial Metal erinnert, kombiniert mit orchestraler Größe. Rafael liefert hier eine Glanzleistung: seine Doublebass-Passagen sind präzise, energisch, und dennoch bleibt Platz für Dynamik. Stephan’s Basslauf treibt wie eine dunkle Strömung unter der Oberfläche, während die Gitarren einen Sturm aus Harmonie und Chaos entfesseln.
Gestaltwandler, Schattenwesen und Himmelswale
Im letzten Drittel des Albums kulminiert die düstere Erzählung. „Shadows“ handelt von Schuld, Wiederholung und dem ewigen Kreislauf des Bösen. Eine rastlose Seele zieht mordend durch Zeit und Raum – gefangen in ihrer eigenen Strafe. Musikalisch besticht der Song durch enorme Dynamik: Auf langsame, tonnenschwere Riffs folgen abrupte Ausbrüche, die den Zuhörer förmlich aus der Bahn werfen. Hier wird Schmerz spürbar, hier wird Reue vertont.
Dann folgt „Skinwalker“ – ein Song, der sich der nordamerikanischen Mythologie bedient. Der Gestaltwandler wird zur Allegorie für Identitätsverlust und innere Zerrissenheit. Die Gitarren wechseln zwischen hypnotischen Tremolos und donnernden Akkorden, während Burkhard mit seiner Stimme den Wandel zwischen Mensch und Monster nachvollzieht. Der Song ist roh, ungezähmt, aber nie chaotisch. Alles wirkt kontrolliert – eine akustische Metamorphose, die sowohl verstört als auch fasziniert.
Das große Finale bildet „Whales in the Clouds“ – ein überragender Abschluss, der das Album thematisch und musikalisch zusammenführt. Der Song malt ein apokalyptisches Bild: fliegende Wale, die als himmlische Wächter durch ein brennendes Firmament ziehen. Ein Sinnbild für Hoffnung im Untergang, für Stärke in der Finsternis. Die epische Struktur, getragen von dichten Harmonien, majestätischem Schlagzeugspiel und feinem Gitarrenzusammenspiel, verleiht dem Stück eine fast spirituelle Note. Es ist das perfekte Ende für ein Album, das wie eine Reise durch die Dunkelheit wirkt – mit einem letzten, hellen Schimmer am Horizont.
Unsere Wertung:
Unser Fazit
„Dystopian Times“ ist ein eindrucksvolles Werk – durchdacht, technisch brillant und emotional fordernd. Pinch Black verbinden hier präzise Gitarrenarbeit, komplexes Songwriting und erzählerische Tiefe zu einem Gesamtbild, das weit über die Grenzen des klassischen Death Metal hinausgeht. Jeder Song trägt Handschrift und Charakter, jeder Übergang zeigt, wie detailverliebt diese Musiker arbeiten.
Das Album ist düster, aber nie eindimensional. Es ist roh, aber niemals plump. Es vereint Technik, Gefühl und Vision zu einem Klangkosmos, der zeigt, warum Pinch Black längst ihren Platz unter den modernen Metal-Größen verdient haben. Mainz hat mit dieser Band ein Aushängeschild für zeitgenössischen, intelligenten und leidenschaftlich gespielten Death Metal. „Dystopian Times“ ist ein Triumph – düster, episch und unvergesslich.
Kritik von: Philipp „Pfnörki“ Gottfried
Mehr zu Pinch Black im Netz:
Pinch Black – Die offizielle Webseite:
https://www.pinchblackofficial.com/
Pinch Black bei Facebook:
https://www.facebook.com/PinchBlackOfficial/
Pinch Black bei Spotify anhören:
https://open.spotify.com/artist/1nW7nL6u5laj5GdCfAfOVV