Das Antidepressivum „Prozac“ gilt seit den späten 1980er-Jahren als eines der bekanntesten Medikamente gegen Depressionen und Angststörungen. Es hat Millionen von Menschen weltweit beeinflusst – medizinisch, gesellschaftlich und kulturell. Angesichts dieses starken Namens drängt sich fast unweigerlich die Frage auf, ob Prozac Children ihre Inspiration möglicherweise aus einer eigenen, provokanten Auseinandersetzung mit diesem Medikament gezogen haben – vielleicht sogar mit der spitzen Andeutung, dass unsere moderne Gesellschaft in einer gewissen Form „abhängig“ von solchen chemischen Stützen ist.
Eine Band aus der rohen Tiefe von Minneapolis
Mitten aus der rauen Underground-Szene von Minneapolis haben sich Prozac Children ihren Weg gebahnt – eine Formation, die rohen Crustcore mit anarchopunkiger Wut verbindet. Ihre Musik trägt den politischen Biss von „Crass“ und die kompromisslose Energie von „Discharge“, verwebt mit den düster-metallischen Atmosphären, wie sie von britischen Ikonen à la „Amebix“ oder „Doom“ geprägt wurden. Dieses Erbe haben Prozac Children nicht nur kopiert, sondern in einen eigenständigen, lokal geerdeten Sound überführt, der die Härte des mittleren Westens in sich trägt. Auf der Bühne teilen sie sich die Bretter mit ähnlich kompromisslosen Acts, ziehen Vergleiche zu „Nausea“ oder „Disrupt“ auf sich – und erweitern dennoch kontinuierlich ihre Klanglandschaft, teilweise mit doomigen Riffs oder post-punkigen Einschüben, ohne ihre Crust-Punk-Identität zu verlieren.
„Defective Nation“ – musikalische Wucht und sozialkritischer Schlag
Die Single Defective Nation offenbart vom ersten Ton an, dass Prozac Children weit mehr bieten als simplen Drei-Akkord-Punk. Die Eröffnung entfaltet sich zunächst im mittleren Tempo, getragen von massiven Bassläufen und schwermütigen Drums, die eine düstere, beinahe klaustrophobische Räumlichkeit erzeugen. Hier trifft man auf Growls, die so tief und kehlig sind, dass man für einen Augenblick glauben könnte, einem Death-Metal-Projekt zu lauschen. Diese Verschmelzung aus Crustcore, Anarchopunk und Extreme Metal ist nicht nur ungewöhnlich, sondern erfrischend und zeigt eine stilistische Offenheit, die in der Punklandschaft selten anzutreffen ist.
Atmosphäre, Groove und Aggression im Wechselspiel
Was Prozac Children in Defective Nation meisterhaft gelingt, ist der Aufbau einer bedrohlichen Atmosphäre, die nicht in plumper Aggression verpufft, sondern gezielt in groovige, rhythmisch präzise Passagen übergeht. Die Gitarren sägen messerscharf durch den Raum, während die Doublebass-Attacken die Intensität stetig anheizen. Besonders reizvoll ist der Wechsel zwischen tiefen Growls und aggressiven Shouts im Kanon, was dem Song zusätzliche Dynamik und Wucht verleiht. Das Ergebnis ist ein Stück, das sowohl Headbanger als auch Pogotänzer in Bewegung bringt und sich durch seine instrumentale Finesse deutlich von der Masse abhebt.
Sozialkritik ohne Weichzeichner
Die in „Defective Nation“ transportierte Botschaft ist klar: Prozac Children zeichnen das Bild einer Gesellschaft, die sie als fehlerhaft, entmündigt und in ihrer Substanz beschädigt begreifen. Diese Botschaft wird nicht subtil verpackt, sondern frontal in den Hörraum geschleudert – ohne Filter, ohne Entschuldigung. Wer sich in der Crust- oder Anarchopunk-Szene zu Hause fühlt, wird diesen kompromisslosen Ansatz feiern. Hier treffen musikalische Brutalität und gesellschaftspolitische Schärfe auf eine Weise zusammen, die Authentizität atmet.
Unsere Wertung:
Unser Fazit:
Prozac Children liefern mit Defective Nation ein Stück, das stilistisch wie inhaltlich tief im Crustcore verankert ist, sich aber bewusst und selbstbewusst über Genregrenzen hinweg bewegt. Diese Mischung aus apokalyptischer Atmosphäre, metallischer Härte und punkiger Rohheit sorgt dafür, dass die Band sowohl auf der Straße als auch im Club ein Zuhause findet. Wer sich von roher Energie, politischem Anspruch und musikalischer Vielschichtigkeit angezogen fühlt, sollte diese Band unbedingt auf dem Radar haben – am besten laut und ohne Unterbrechung.
Kritik von Philipp „Pfnörki“ Gottfried
Mehr zu Prozac Children im Netz:
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